Wettinger Finanzen

Wie schätze ich als Ressortleiter die Finanzlage in Wettingen ein?

 

Wie sieht unsere Finanzstruktur aus?

  • Unser Umsatz inkl. den Spezialfinanzierungen (Abfall, Abwasser, HPS) liegt bei rund 100 Mio. Franken. 27% ist Personalaufwand, gut 15% Sachaufwand. Rund die Hälfte ist Transferaufwand – z.B. Leistungen für Soziales und Gesundheit –, den wir als Gemeinde nicht beeinflussen können.
  • Rund 60% der Erträge stammen aus Fiskaleinnahmen. Der Ertrag der mit Abstand wichtigsten Steuerquelle (Einkommens- und Vermögenssteuer) liegt bei 50 Mio. CHF. Demgegenüber ist der Ertrag aus den Unternehmenssteuern mit 3 bis 4 Mio. Franken relativ gering. Wettingen ist Wohnort und verfügt über vergleichsweise wenig Gewerbeanteil.
  • Pro Jahr investieren wir zwischen 10 und 20 Mio. Franken. Mit der Sanierung des Tägi ist nun ein grosser Investitionsbrocken geschafft. Langfristig müssen wir zwischen 10 und 15 Mio. Franken investieren, um unsere Infrastruktur in Schuss zu halten.
    Die Verschuldung liegt aktuell bei 123 Mio. beziehungsweise 5'800 Franken pro Einwohner/in.
  • Grosse Kostentreiber waren in der Vergangenheit die gestiegenen Abschreibungen (aufgrund der hohen Investitionstätigkeit), die Sozialkosten und vor allem die Gesundheitskosten (z.B. Restkostenfinanzierung Pflege). Das hat uns in den vergangenen fünf Jahren rund 5 zusätzliche Steuerprozente gekostet. (Ein Steuerprozent entspricht rund 500’000 Franken.)

Wie stehen wir im Vergleich zu anderen Gemeinden da?

  • Zunächst: Wettingen ist keine Stadt, aber eine sehr grosse Gemeinde. Wir haben im Vergleich zu Aarau und Baden eine kostengünstige Verwaltung. Deshalb schneiden wir bei den Ausgaben pro Kopf gut ab.
  • Wir haben einen attraktiven Steuerfuss, aber einen recht hohen Kapitaldienst und eine überdurchschnittliche Verschuldung. Im Vergleich zu Städten haben wir deutlich weniger Einnahmen aus Unternehmenssteuern und damit auch eine rund einen Viertel tiefere Steuerkraft pro Kopf als Baden.

Wie ist es zu dieser hohen Verschuldung gekommen?

  • Wettingen ist vor rund 50 Jahren enorm gewachsen. Die Gemeinde hat damals eine grosse Infrastruktur aufgebaut, die nun fortlaufend saniert werden muss. Lange Zeit haben wir diese Arbeiten hinausgeschoben und wenig investiert. Gleichzeitig wurde der Steuerfuss tief gehalten; das historische Minimum Anfang der Nuller Jahre betrug 87%.
  • Dieser Umstand hat zu einer tiefen Selbstfinanzierung geführt. Sie ist in letzter Zeit leicht angestiegen und beträgt aktuell 43%. Bei einer Selbstfinanzierung unter 100% wachsen automatisch die Schulden. Wir haben also ein strukturelles Problem. Solange wir viel investieren müssen, wird die Verschuldung bei gleichbleibendem Steuerfuss hoch bleiben.

Wie kritisch ist unsere Verschuldung?

  • Momentan bezahlen wir pro Jahr netto rund 1,5 Steuerprozente oder 750'000 Franken Schuldzinsen. Dank der aktuell tiefen Zinsen ist das gut verkraftbar. Das kann sich in Zukunft aber ändern.
  • Diesen jährlichen Schuldzinsen steht ein Eigenkapital von rund 190 Mio. Franken gegenüber. Zudem haben wir Reserven bei der Bewertung von Liegenschaften und insbesondere unseres Elektrizitätswerks. Diese betragen rund 70 Mio. Franken. Und auch die Ortsbürgergemeinde verfügt über ein grosses Vermögen. Wettingen hat eine gute Substanz aufgebaut und ist nicht «am Verlumpen».
  • Dennoch: Es muss das Ziel sein, die Schuldenlast sukzessive zu verringern. Dies ist im Finanzplan so vorgesehen. Auf jeden Fall müssen wir aber vermeiden, dass wir ein operatives Defizit erzielen!

Was können wir dagegen tun?

  • Erstens: Effizient und sparsam sein. Vor ein paar Jahren hat Wettingen ein Programm eingeleitet, das versucht, Effizienzgewinne zu realisieren und Kosten tief zu halten. Das erreichen wir mit einem stringenten Controlling und Management der Verträge und durch den zentralen Einkauf und Nutzung von Synergien mit unseren Partnerbetrieben EW AG und Tägi AG. Dabei ist zu beachten: Wettingen kann kurzfristig aufgrund der hohen gebundenen Ausgaben nur wenig zusätzlich sparen. Das würde schnell auf Kosten der Substanz und der Attraktivität der Gemeinde gehen.
  • Zweitens: Ertragskraft steigern. Gute Leistungen dürfen auch etwas kosten. Das gilt für die Musikschule, die Tagesstrukturen, die Leistungen des Werkhofs, Konzessionen für Dritte oder auch für die Gebühren für Sportvereine. In diesen Bereichen haben wir die Reglemente modernisiert.
  • Drittens und «Pièce de Résistance»: Steuerfuss anpassen. Wettingen hat schrittweise die Fehler der Vergangenheit korrigiert und den Steuerfuss im Zuge der zunehmenden Investitions- und Sanierungstätigkeit angepasst. Die 2020 geplante Steuerfusserhöhung zwecks Schuldenabbau ist zwar vom Einwohnerrat gutgeheissen worden, hat dann aber in der Volksabstimmung Schiffbruch erlitten. Wir haben daraus gelernt: Steuerfussanpassungen rein nur zum Schuldenabbau werden nicht akzeptiert. Nun braucht es viel Überzeugungsarbeit!

Was sind die zukünftigen Herausforderungen?

  • Wir haben in den letzten Jahren Überschüsse generiert und den Schuldenanstieg eindämmen können. Gleichzeitig haben wir mit einem klugen Einsatz der Gelder auch von der guten Zinslage vom Kapitalmarkt profitieren können.
  • Wir haben die Ausgaben im Griff, sehen uns aber weiterhin hohen Investitionen – aktuell einmal mehr in die Schulinfrastruktur – gegenüber. Neu ist nun mit der COVID-19 Krise ein unberechenbarer Faktor hinzugekommen.
  • Dank laufender Verfeinerung und Verbesserung des  Finanzplans haben wir nun einen guten Überblick über die zukünftigen Entwicklungen. Es muss uns gelingen, das Ruder herumzureissen. Gemäss aktuellem Wissensstand ist für 2023 eine Steuerfussanpassung notwendig, um die wachsenden Ausgaben in den Bereichen Gesundheit und Bildung und die durch die COVID-19 Krise verursachten Einbussen kompensieren und gleichzeitig den Schuldenabbau einleiten zu können.
    Wir bleiben dran!